Kollektiver Rechtsschutz im Kartellrecht auf neuen Wegen? Materiell-rechtliche Anspruchsbündelung durch Gesamtgläubigerschaft und Drittschadensliquidation
16.06.2011Festschrift für Wernhard Möschel zum siebzigsten Geburtstag (Hrsg. v. Bechtold/Jickeli/Rohe), 2011, S. 131 - 148
Die kollektive Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verhilft dem privaten Rechtsschutz im Kartellrecht zu mehr Effektivität. Geeignete prozessuale Instrumente sind im bisherigen deutschen Zivilprozessrecht nicht ersichtlich. Das gilt namentlich für die Streitgenossenschaft, § 61 ZPO, und die Vorteilsabschöpfung durch qualifizierte Verbände, § 34a GWB. Daher kommt derzeit allein die materiell-rechtliche Bündelung von Ansprüchen in Betracht. Die insbesondere von CDC praktizierte Abtretungslösung teilt den Nachteil aller opt in-Modelle: Sie kommt nur in Ausnahmekonstellationen in Betracht. Voraussetzung ist eine überschaubare Zahl von Geschädigten mit jeweils hohen individuellen Schadenssummen. Die Lösung des Kammergerichts im Transportbetonurteil (Urt. v. 1.10.2009 - 2 U 10/03 Kart, WuW/E DE-R 2773) läuft hingegen auf einen opt out-Mechanismus hinaus. Sie bündelt die Schadensersatzansprüche von Folgeabnehmern in der Person des gemeinsamen Lieferanten und unmittelbaren Vertragspartners der Kartellanten. Rechtspolitisch ist dieser Ansatz zu begrüßen. Ihr kommt Bedeutung in den Fällen zu, in denen die rationale Apathie der Geschädigten oder des potentiellen Gruppenvertreters der kollektiven Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Wege eines opt in entgegenstünde. Unglücklich erscheint die Wahl der Gesamtgläubigerschaft. Vorzugswürdig ist die Annahme einer gesetzlich (vgl. das Beispiel § 701 BGB) angeordneten Drittschadensliquidation. Sie gestattet es dem Direktabnehmer, neben dem eigenen den Schadensersatz von Folgeabnehmern einzuklagen.