Wouters-Doktrin und Sportkartellrecht
19.10.2023Vortrag von Prof. Dr. Florian Bien und Dr. Björn Christian Becker vor der Frankfurter Regionalgruppe der Studienvereinigung Kartellrecht
Am Dienstag, 17.10.2023, sprachen Prof. Bien und Dr. Becker auf Einladung von Isabel Oest (Commeo) und Max Hauser (Latham&Watkins) in den Räumlichkeiten von Hengeler Mueller auf einem Treffen der Frankfurter Regionalgruppe des Studienkreises Kartellrecht über die kartellrechtliche Bewertung sportverbandlicher Regelungen.
Im Profisport hat nahezu jede Regelung eines Sportverbandes Einfluss auf das Marktverhalten seiner Verbandsmitglieder (Clubs, Sportler) oder gar Dritter. In seiner Entscheidung „Meca-Medina“ (2006) betreffend die IOC-Anti-Doping-Regeln erklärte der EuGH die europäischen Wettbewerbsregeln auf sämtliche - auch „rein sportliche“ - sportverbandliche Regelungen für anwendbar, stellte aber auch fest, dass nicht jede damit einhergehende Wettbewerbsbeschränkung unter das Kartellverbot fallen muss. Die IOC-Anti-Doping-Regeln unterzog der EuGH unter Rückgriff auf die in seinem Urteil „Wouters“ (2002) aufgestellten Grundsätze einer Verhältnismäßigkeitsprüfung („Wouters-Doktrin“). Seither sind sowohl der Anwendungsbereich als auch die Voraussetzungen für die Durchführung dieser Prüfung im Einzelnen umstritten. Bien/Becker sehen die normative Grundlage für die Anwendung der Wouters-Doktrin auf sportverbandliche Regelungen in der grundrechtlich geschützten Verbandsautonomie der Sportverbände und folgern daraus, dass nur solche Verbandsregelungen für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Frage kommen, die in den sachlichen und persönlichen Schutzbereich der Verbandsautonomie fallen. Dies schließt solche Regelungen aus, die den verbandsinternen Bereich verlassen und in das Marktverhalten Dritter (z. B. verbandsexterner Wettbewerbsveranstalter, Fernsehanstalten, Spielervermittler) eingreifen. Andere Autoren sind wesentlich großzügiger und wollen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auch in Fällen durchführen, in denen das verbandliche Regelwerk einen bloßen Bezug zu sportlichen Zwecken aufweist.
Mit den rund 30 anwesenden Anwältinnen und Anwälten diskutierten Bien/Becker ihren Ansatz anhand aktuell beim EuGH anhängigen Verfahren etwa betreffend die Home-Grown Players Rule, die Zulassungsregeln der International Skating Union oder die European Superleague.