Deutsch-Lateinamerikanische Tagung zum Strafrechtsvergleich
22.07.2024Vom 22. bis 26. Juli 2024 fand in Würzburg eine Tagung zu den aktuellen Herausforderungen des Strafrechts und der Kriminalpolitik in Deutschland und Lateinamerika statt.
Hierbei handelte sich um ein Treffen von SIGLA, der „Sociedad Internacional Germano- Latinoamericana de Ciencias Penales“
(Deutsch-Lateinamerikanische Gesellschaft für Kriminalwissenschaften).
Die beiden Präsidenten der Vereinigung sind Prof. Dr. Leandro Eduardo Astrain, Guanojuato, Mexiko, und Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
In Lateinamerika spielt die deutsche Strafrechtswissenschaft seit vielen Jahrzehnten eine erhebliche Rolle. Schon seit den fünfziger Jahren wurde deutsches Strafrecht in ganz Lateinamerika intensiv rezipiert, und auch deutsche Lehrbücher wurden (und werden) in das Spanische übersetzt. Aktuell wird der Strafrechtskommentar von Kindhäuser und Hilgendorf als erster deutscher Kommentar in die spanische Sprache übertragen. Der Leiter des Übersetzungsprojekts, Prof. Dr. Dr. h.c. Marcelo Sancinetti (Universität Buenos Aires), war mit seiner Frau Patricia Ziffer höchstpersönlich angereist, um der Würzburger Tagung beizuwohnen.
Die Veranstaltung war die größte Tagung dieser Art, die es bislang in Deutschland gegeben hat. Über 130 Rechtswissenschaftler sowie Vertreter der Praxis waren aus Lateinamerika auf eigene Kosten angereist, um daran teilzunehmen. Vertreten waren Zuhörer aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, El Salvador, Guatemala, Kolumbien, Mexiko, Panama, Paraguay, Peru und Spanien. Jeder Beitrag wurde intensiv diskutiert. Besonders fruchtbar waren nicht nur die rechtsvergleichenden Perspektiven zwischen Deutschland und Lateinamerika, sondern auch die unterschiedlichen Sichtweisen, die innerhalb Lateinamerikas deutlich wurden.
Zu den Referenten gehörten neben Prof. Dr. Dr. h.c. Marcelo Sancinetti, Buenos Aires (zum System des Irrtums im Strafrecht), Prof. Dr. Katharina Beckemper, Leipzig (zum Allgemeinen Teil des Wirtschaftsstrafrechts), Prof. Dr. Jörg Eisele, Tübingen (zur strafrechtlichen Verantwortung für den Betrieb von Plattformen), Prof. Dr. Jordi Nieva-Fenoli, Barcelona (über die Zukunft des Strafprozessrechts), Prof. Dr. Sebastian Scheerer, Hamburg (zu Kriminologie und Völkerstrafrecht), Prof. Dr. Dr. h.c. Eugenio Zaffaroni, Buenos Aires (zur Strafrechtsdogmatik in Lateinamerika), Prof. Dr. Patricia Ziffer, Buenos Aires (über die Rückkehr der Diskussion über dauerhafte Gefängnisstrafe) und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Urs Kindhäuser, Bonn (über die Theorie der strafrechtlichen Zurechnung). Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf referierte zur Idee einer internationalen Strafrechtswissenschaft.
Organisiert wurde die Tagung vom Lehrstuhlteam von Prof. Hilgendorf zusammen mit Prof. Dr. Zuluaga aus Kolumbien, der gerade in Santiago de Chile eine Professur innehat. Frau Dr. Murgia-Göbel, die Leiterin des spanischen und lateinamerikanischen Fachsprachenprogramms, wirkte aktiv an der Eröffnungszeremonie mit und engagierte sich auch intensiv im Hintergrund. Damit trug sie wesentlich dazu bei, dass die Veranstaltung außerordentlich erfolgreich verlaufen konnte.
Einer der Höhepunkte der Tagung war die Ernennung des bekannten Hamburger Kriminologen Sebastian Scherer zum Ehrenpräsidenten von SIGLA. Als neue Co-Präsidentin auf deutscher Seite wurde Prof. Dr. Katharina Beckemper, Universität Leipzig, bestimmt. Zudem wurde Frau Prof. Cristina Montalvo (Universidad del Atlántico) zur Co-Präsidentin für die lateinamerikanische Seite gewählt. Die nächste Tagung soll im Jahr 2026 stattfinden, entweder in Leipzig oder wieder in Würzburg.
© Andreas Grasser