Von Magdalena Schmitt (studentische Hilfskraft)
[Erstveröffentlichung in: ALUMNIintern, WiSe 2017/2018]
vom 06. bis 08. Juli 2017
Von Magdalena Schmitt (studentische Hilfskraft)
[Erstveröffentlichung in: ALUMNIintern, WiSe 2017/2018]
Eine Hauptverhandlung auf Englisch und Französisch mit drei Richtern aus unterschiedlichen Ländern und einem Angeklagten aus dem ruandisch-kongolesischen Grenzgebiet? Für Juristen aus Deutschland erscheint dies auf den ersten Blick eher außergewöhnlich. Erleben durften dies die Teilnehmer des Seminars „Das Strafverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof“ im Laufe ihrer dreitägigen Exkursion nach Den Haag.
Am 6. Juli 2017 machten sich Studierende und Doktoranden der Universitäten Würzburg und Freiburg, begleitet von ihren Professoren Prof. Dr. Frank Schuster (Lehrstuhl für Internationales Strafrecht) und Prof. Dr. Walter Perron mit der Bahn auf den Weg in die niederländische Parlaments- und Regierungsstadt. Am Gerichtshof angekommen empfing uns Prof. Dr. Bertram Schmitt, Würzburger Honorarprofessor und einer der 18 ausgewählten Richter des Internationalen Strafgerichtshofs, die von den derzeit 121 Vertragsstaaten für einen Zeitraum von neun Jahren gewählt werden.
Nach Überwindung moderner Sicherheitskontrollen gelangten wir in den neuen, erst kürzlich fertiggestellten Gebäudekomplex. Basierend auf dem Römischen Statut nahm das Gericht allerdings schon zum 1. Juli 2002 seine Arbeit auf, um die vier Kernverbrechen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression international strafrechtlich zu verfolgen, wenn eine nationale Strafverfolgung nicht möglich oder staatlich nicht gewollt ist. Die Prozessordnung ist eine hybride, beeinflusst von kontinentaleuropäischen Einflüssen sowie solchen des common law. Begeistert berichtete Richter Schmitt über die Arbeitsweise des Gerichts, die 18 verschiedenen Nationen im Richterkollegium und die vielen Erfahrungen, die mit seiner Arbeit tagtäglich verbunden sind. Ein heftiges Gewitter, mit dem uns im Anschluss die Innenstadt von Den Haag begrüßte, konnte uns nichts anhaben, sodass wir nach einem kurzen Sightseeing vorbei am Justizministerium den ersten Abend gemeinsam bei Bier und gutem Essen ausklingen ließen.
Am nächsten Morgen starteten die Teilnehmer voller Tatendrang in die Seminarvorträge. Einen Einstieg boten die Referate zur Zuständigkeit des IStGH, zu den Auslösungsmechanismen für das Tätigwerden des Strafgerichtshofs sowie zum Grundsatz der Komplementarität.
Als einen Höhepunkt gestaltete sich der Besuch einer Hauptverhandlung in den außergewöhnlichen Gerichtssälen. Per Kopfhörer und in unterschiedlichen Sprachen (Englisch, Französisch und Swahili) konnten wir der Zeugenaussage (!) des Angeklagten Bosco Ntaganda folgen, dem unter anderem die Rekrutierung von Kindersoldaten vorgeworfen wird. Schon hier wurde deutlich, dass sich die Rollen der Verfahrensbeteiligten im Völkerstrafprozess maßgeblich von denen in einem deutschen Strafverfahren unterscheiden. In Deutschland ist der Angeklagte z.B. niemals Zeuge in eigener Sache.
Nach der Mittagspause erwartete uns der zweite Themenblock, der über das Vorermittlungsverfahren bis hin zu dem Prinzip der Unmittelbarkeit und seine Durchbrechungen führte. Bei einem gemeinsamen Abendessen am Strand von Scheveningen konnten sich die Studierenden der beiden Universitäten besser kennenlernen. Ganz Mutige kosteten auf Empfehlung von Richter Schmitt auch lokale Spezialitäten wie die „Bitterballen“ (frittierte Fleischkroketten).
Am letzten Tag fand das Seminar in den Räumlichkeiten der Universität Leiden statt. Hier ging es um interessante Themen wie die Rolle des Angeklagten in der Hauptverhandlung und die Beteiligung des Opfers am Verfahren. Einen Abschluss fand die Veranstaltung mit der komplexen Thematik des Rechtsmittelverfahrens.
Besonderer Dank geht an dieser Stelle an alle Organisatoren, allen voran Prof. Dr. Bertram Schmitt, der uns die Abhaltung eines Seminars in den Räumlichkeiten des Gerichtshofes ermöglichte, durchweg begleitete und wie kein anderer mit Fach- und Insiderwissen versorgen konnte. In Erinnerung bleiben werden die lebhaften Diskussionen, aber auch das (kurze) Kulturprogramm und der Besuch des Strands.