Blockseminar Kaub/Rhein
Blockseminar Schloss Schwanberg/Rödelsee
Gemeinsames Blockseminar der Universitäten Würzburg und Mainz zu aktuellen Fragen des Straf- und Strafprozessrechts im Spiegel der höchstrichterlichen Rechtsprechung
vom 15. bis 17. Mai 2014
Von Wiss. Mitarbeiterin Viviana Thompson
[Erstveröffentlichung in: ALUMNIintern, WiSe 2014/2015]
Die Strafrechtswissenschaft ist, wie die Rechtswissenschaft überhaupt, grundsätzlich anwendungsorientiert1. Gleichzeitig setzen sich die obersten Gerichte regelmäßig mit wissenschaftlichen Ansichten auseinander. Dass höchstrichterliche Entscheidungen daher schon in der juristischen Ausbildung wesentliche Relevanz erlangen, dürfte den meisten Jungjuristen bereits während der ersten Semester ihres Studiums deutlich bewusst werden. Grundidee des von Prof. Dr. Frank P. Schuster (Universität Würzburg) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thomas Fischer (Würzburger Honorarprofessor und Vorsitzender Richter am BGH) und Prof. Dr. Volker Erb (Universität Mainz) organisierten Seminars war es deshalb, sich aktuellen Fragestellungen aus dem Straf- und Strafprozessrecht anhand ganz konkreter, durch Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht entschiedener Beispielsfälle zu nähern.
Mit diesem Ziel im Gepäck machten sich die Teilnehmer, eine Mischung aus Schwerpunktstudierenden, Doktoranden und Mitarbeitern beider Universitäten, mit Fahrgemeinschaften auf den Weg zum Veranstaltungsort. Als solcher war das am südlichen Rand des UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal gelegene Städtchen Kaub, ehemals Teil des "Freistaats Flaschenhals"2, ausgewählt worden.
Dort angekommen, wurde das Seminar nach kurzer Erkundung der CVJM-Tagungsstätte Burg Elsenburg und dem Bezug der teilweise mit spektakulärem Rheinblick ausgestatteten Zimmer sofort eröffnet. Einen Einstieg boten zunächst unterschiedliche Entscheidungen aus dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches (hier das Seminarprogramm im Einzelnen), etwa zur hypothetischen Einwilligung bei einem Heileingriff, der Sterbehilfe durch einen Behandlungsabbruch oder der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei der Einholung von Rechtsrat. An den beiden folgenden Tagen wurden dann Fragen aus dem Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs und dem Strafprozessrecht, auch mit verfassungsrechtlichem Bezug, beleuchtet. Die Gruppe beschäftigte sich unter anderem mit der Aufgabe der "Interessentheorie" bei Bankrott und Untreue in der Unternehmenskrise, dem nach Jahrzehnten zu einem Abschluss
gekommenen Streit um das Erfordernis eines Absatzerfolges bei der Hehlerei und der Verwertbarkeit sogenannter Beinahetreffer im Rahmen von molekulargenetischen Reihenuntersuchungen. Den Abschluss bildete eine Auseinandersetzung mit der sehr umstrittenen gesetzlichen Regelung zur Verständigung im Strafprozess. Nach den jeweils 30-minütigen Vorträgen hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, Fragen zu stellen und kritische Anmerkungen in die Gespräche einzubringen. Hierbei ergaben sich durchgängig rege Diskussionen. Ganz besonders hilfreich und interessant für das Verständnis der vorgestellten Entscheidungen war es, einzelne Fragen auch direkt an Herrn Prof. Dr. Fischer stellen zu können. Vom Vorsitzenden des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs derart aus erster Hand Beweggründe und Motive des Senats bei der konkreten Entscheidungsfindung zu erfahren, war wohl auch aus studentischer Sicht das "fachliche Highlight" des Seminars. Tei
Aber auch außerhalb des offiziellen Programms - beim gemeinsamen Essen und abendlichen Zusammensitzen - blieb Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen und fruchtbaren Austausch. Besonders aufgelockert wurde das Seminar durch den Besuch einer Weinprobe beim "Weingut am Löwenkopf". Ob Riesling, Regent oder Spätburgunder, hier wurden die Teilnehmer vom Winzer höchstpersönlich über alle Einzelheiten des Weinanbaus aufgeklärt und durften natürlich auch selbst eine reiche Auswahl probieren.
___Insgesamt wurde die Zeit also in jeder Hinsicht intensiv genutzt. Das Seminar war nicht nur deshalb gelungen und ausgewogen, weil die Teilnehmer einen Schritt weiter zur Erfüllung der Voraussetzungen ihrer Schwerpunktprüfung oder Promotionsordnung gelangten, sondern vor allem auch, weil sie im Rahmen des lockeren, ungezwungenen Programms auch außerhalb des eigenen Seminarthemas die Gelegenheit hatten, über den "Tellerrand" zu schauen.
1 Erb, ZStW 113 [2001], 1.
2 Als Freistaat Flaschenhals wurde ein schmales Gebiet zwischen dem Rhein und dem unbesetzten Teil der preußischen Provins Hessen-Nassau bezeichnet, das nach Ende des Ersten Weltkriegs vom 10. Januar 1919 bis zum 25. Februar 1923 bei der alliierten Rheinlandbesetzung unbesetzt blieb (Quelle: Wikipedia).