Exkursion zur Kanzlei Gleiss Lutz in Stuttgart – SS 2010
Exkursion zur Kanzlei Gleiss Lutz in Stuttgart – Sommersemester 2010
Am 2. und 3. Juli 2010 folgten 15 Studenten des Schwerpunkts Arbeitsrecht der Einladung der Kanzlei Gleiss Lutz, einen Einblick in die Praxis des Betriebsverfassungsrechts zu gewinnen. Bereits einige Wochen zuvor hatte Herr Dr. Diller, Partner in der Kanzlei Gleiss Lutz, in Würzburg eine Vorlesung zum „Betriebsverfassungsrecht in der Praxis“ gehalten. Seinen sehr anschaulichen und verständlichen Ausführungen, geschmückt mit zahlreichen Anekdoten aus seiner langjährigen anwaltlichen Tätigkeit, schloss sich die Einladung zu einem Besuch im Büro von Gleiss Lutz in Stuttgart an. Dort sollte insbesondere durch die Bearbeitung eines typischen Falls ein noch praxisnäherer Einblick in das Betriebsverfassungsrecht vermittelt werden.
Nach der Zugfahrt von Würzburg nach Stuttgart am 2. Juli, bei Temperaturen knapp unter der 40°-Marke, wurden wir in den Kanzleiräumen von Gleiss Lutz in einem klimatisierten Konferenzraum mit kühlen Getränken, Kaffee und Kuchen empfangen. Der Begrüßung durch Herrn Dr. Diller folgte sodann die Vorstellung dessen, was für uns vorbereitet worden war. Aufgeteilt in Vertreter der Arbeitgeberseite und des Betriebsrats sollten wir eine Einigungsstelle i.S.d. § 77 BetrVG simulieren. In den dazu ausgeteilten Sachverhalten wurde ein Unternehmen geschildert, in dem Arbeitnehmer nach dem Willen des Unternehmers künftig flexibel für Überstunden eingesetzt werden sollten. Während seitens des Unternehmens unternehmerische Gründe, wie etwa kurzfristige oder zeitlich begrenzte Aufträge, angeführt wurden, standen für den Betriebsrat vor allem der Schutz der Belegschaft vor unkontrollierter Mehrarbeit und die Sicherung von Arbeitsplätzen im Vordergrund. Außerdem sollte die Mehrarbeit entweder durch Freizeit ausgeglichen oder vergütet werden.
Jeweils zwei „Betriebsratsmitglieder“ bzw. „Unternehmensvertreter“ hatten zunächst in separaten Konferenzräumen etwa eine Stunde lang Zeit, ihre Verhandlungsziele und Forderungen zu formulieren, sowie Vorschläge für die späteren Verhandlungen mit der Gegenseite vorzubereiten. Anschließend handelte jeweils eine Gruppe der „Arbeitgebervertreter“ mit einer Gruppe des „Betriebsrats“ eine Einigung über die künftige Regelung der Überstunden aus. Dabei wurde zum Teil sachlich und zielorientiert an einer einvernehmlichen Lösung gefeilt, während teilweise um Einzelaspekte akribisch gefeilscht wurde. Für Fragen standen während der gesamten Zeit Anwälte der Kanzlei mit ihrer Erfahrung zur Unterstützung bereit. Anschließend wurden die Einigungsergebnisse der einzelnen Verhandlungsgruppen in der Großgruppe verglichen und ausgewertet. Dabei zeigten sich zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Einigungen der einzelnen Gruppen. Die Vorstellung der einzelnen Einigungsergebnisse in der Großgruppe und ihre rechtliche und praktische Bewertung durch Herrn Dr. Diller waren sehr aufschlussreich und weiterführend und ermöglichten ein noch klareres Verständnis der einschlägigen Regelungen und der Systematik des Betriebsverfassungsgesetzes insgesamt.
Auch wenn es einigen schwer viel, sich vom Verhandlungstisch loszureißen, nahmen wir alle gerne das Angebot einer kurzen Führung durch die Räumlichkeiten der Kanzlei wahr. Neben den zahllosen Gängen, Büroräumen und Etagen beeindruckte vor allem die sehr ansehnliche Bibliothek der Kanzlei.
Beim anschließenden Abendessen in einem Restaurant in der Stuttgarter Innenstadt bestand bei gutem Essen in angenehmer Atmosphäre die Möglichkeit zum ungezwungenen Austausch mit mehreren Anwälten der Kanzlei. Nicht nur Verlängerung und Elfmeterschießen des auf Leinwand übertragenen WM-Viertelfinalspiels ließen uns noch lange nach dem Essen in angeregter Runde zusammensitzen. Nach einem Streifzug durch das nächtliche Stuttgart und einem letzten Drink fielen wir erschöpft, aber auf einen erlebnisreichen Tag zurückblickend, in unsere Hotelbetten.
Am nächsten Morgen stand ein Vortrag von Herrn Dr. Diller zum Thema „Sozialplan und Interessenausgleich bei der Betriebsänderung“ (§§ 111 ff. BetrVG) auf dem Programm. Dabei wurden die Systematik und Anwendung dieser wichtigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes eingängig und anschaulich erläutert. Neben der Bestimmung der Begriffe „Betriebsübergang“, „Interessenausgleich“ und „Sozialplan“ wurden die typischen Ziele von Arbeitgeber und Betriebsrat in der Situation eines (geplanten) Betriebsübergangs aufgezeigt. Außerdem wurde die praktische Vorgehensweise von der Ankündigung der Betriebsänderung bis hin zur Aufstellung eines Sozialplans in zeitlicher und inhaltlicher Sicht dargestellt und anhand von Beispielen aus der Praxis verdeutlicht. Wie schon am Vortag verging auch diese Einheit wie im Flug und wir brachen am späten Vormittag unsere Rückreise nach Würzburg an.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Exkursion in hervorragender Weise dazu geeignet war, Arbeitsrecht einmal aus der Perspektive der Praxis zu erfahren, einen Einblick in den Arbeitsalltag eines Arbeitsrechtsanwalts zu gewinnen, und insbesondere die selbständige Befassung mit betriebsverfassungsrechtlichen Problemstellungen realitätsnah zu erleben. Dank der ausgezeichneten Organisation seitens der Kanzlei Gleiss Lutz und des Engagements von Herrn Dr. Diller und seinen Kolleginnen und Kollegen, wird diese Fahrt nach Stuttgart allen teilnehmenden Studierenden des Schwerpunktbereichs Arbeitsrecht auf Dauer in sehr guter Erinnerung verbleiben.
Michael Kassabalis